Der Radiosender Ö1 widmet sich im September in einer Dokumentation von Benjamin Breitegger und Nikolai Atefie einem milliardenschweren Geschäft, das Menschenleben zerstört: illegalen Online-Casinos.
Im Zentrum der Sendung steht die Geschichte von Oliver Petzold, 39 Jahre alt, ehemaliger Soldat, dreimal in Afghanistan im Einsatz, heute berufsunfähig. Seit 2019 ist er zurück im Strudel der Glücksspielsucht. Aus Sportwetten wurden stundenlange Automatenspiele in Online-Casinos. Sein Verlust: über 300.000 Euro – finanziert durch Immobilienverkäufe und Kredite. Trotz bundesweiter Sperre gelang es ihm immer wieder, auf illegalen Casino-Seiten zu spielen, oft mit einem persönlichen VIP-Betreuer an seiner Seite.
Das Geschäft mit der Sucht
Die Anbieter agieren unter Namen wie Bellona, nutzen Offshore-Lizenzen etwa aus Curaçao oder Malta und umgehen nationale Regelungen. Ein ehemaliger Spieler kann sich problemlos registrieren, Einzahlungen tätigen und Bonusaktionen nutzen – alles trotz Sperrlisten.
Psychologe Tobias Heyer von der Universität Bremen erklärt, warum Glücksspiel so fesselnd ist: Es geht nicht nur um den möglichen Gewinn, sondern um die Emotionsregulation – negative Gefühle wie Stress oder Langeweile werden durch das Spielen ausgeblendet. Rund 1,3 Millionen Erwachsene in Deutschland gelten als glücksspielsüchtig, weitere 3,3 Millionen zeigen problematische Muster. Die Suizidrate liegt höher als bei vielen anderen Suchterkrankungen.
Rechtliche Grauzonen
Rechtsanwalt Istvan Cocron, der in über 4000 Fällen gegen Glücksspielanbieter vorging, beschreibt Opfer aus allen Schichten: Schüler, Rentner, Ärzte, Anwälte. Besonders auffällig: Bei Anbietern mit Curaçao-Lizenz sind die Verluste oft um ein Vielfaches höher als bei anderen. Dennoch sind diese Seiten weiterhin online und für deutsche Nutzer leicht zugänglich.
Zwar gibt es seit 2021 in Deutschland die Gemeinsame Glücksspielbehörde mit Sitz in Halle, die legale Anbieter reguliert und gegen illegale Plattformen vorgeht. Doch ihre Mittel – Untersagungen, Zahlungsblockaden, Serverkontakte – laufen oft ins Leere. Die Betreiber reagieren schnell, setzen auf Kryptowährungen oder wechseln Server.
Blick hinter die Kulissen
Die Ö1-Reporter reisten auch nach Malta, Europas Glücksspiel-Hotspot. Dort wurde deutlich: Viele legale Anbieter stammen von der Insel, während die Branche auf Konferenzen offen über Strategien spricht, deutsche Regeln zu umgehen. Auch Vertreter aus Curaçao werben aktiv für ihre laschen Lizenzbedingungen.
Fazit
Die Radiodokumentation macht deutlich: Der Markt für illegales Online-Glücksspiel wächst, während Betroffene wie Oliver Petzold um ihre Existenz kämpfen. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Regulierungsbehörden, Anbietern und Zahlungsdienstleistern – mit hohem Preis für die Spielerinnen und Spieler.
Wer selbst betroffen ist oder jemanden kennt, sollte Beratungsangebote nutzen und sich über Sperrmechanismen informieren. Denn hinter vielen vermeintlich attraktiven Bonusversprechen steckt kein Glück, sondern ein System, das Sucht ausnutzt.